Interview mit DFB-Direktor Willi Hink
Foto: Das Stadion Wals-Siezenheim zählt zu den wenigen europäischen Profifußballstadien mit Kunstrasen. Bild: www.redbullsalzburg-board.com
Im Herbst 2006 veröffentlichte der DFB eine Studie zum Thema Kunstrasen. Unter der Leitung von DFB-Direktor Willi Hink stellte eine Arbeitsgruppe der DFB-Kommission Sportplatzbau wichtige Testergebnisse zusammen. Inhalte der Versuchsreihe waren technische Komponenten wie das Ballrollverhalten, die Wasserdurchlässigkeit oder der Verschleiß, aber auch subjektives Spielerempfinden nach Tests verschiedener Felder.
Drei Kunstrasengenerationen ergeben unterschiedliche Beurteilungen, doch lässt sich resümieren, dass eine Kunststoffrasenkonstruktion umso positiver beurteilt wurde
- je höher der physikalische Kraftabbau ist
- je geringer die Ballreflexion ist
- je höher die Standartverformung ist
- je weicher, drehfreudiger und standsicherer die Oberfläche ist
Nach Aussage von Willi Hink ist die jüngste Kunstrasengeneration in Sachen Ballverhalten vom Naturrasen nicht mehr allzu weit entfernt, anders als noch in den 70er und 80er Jahren, als das Leder noch weitgehend unberechenbar durch die Gegend sprang.
Nachteil der Kunstrasengenerationen eins und zwei, die bis Mitte der 90er Jahre gefertigt wurden, war häufig das höhere Verletzungsrisiko, speziell durch Schürfwunden bei Anlagen ohne Beregnungsinstallation.
Die dritte Kunstrasengeneration birgt derartige Verletzungsrisiken kaum mehr, vor allem bei Gummi-verfüllten Konstruktionen auf elastifizierenden Schichten ist das Verletzungsrisiko in etwa das Gleiche wie auf Naturrasen. Wie Hink gegenüber Stadionwelt unterstreicht, entstehen Schürfwunden auf modernem Kunstrasen oft durch mangelnde Pflege und Reinigung, wenn sich zum Beispiel kleine Steine zwischen die Halme mischen.
Besonders hervorzuheben ist die potenziell mögliche Nutzungsdauer der Kunstrasenflächen, verglichen mit Naturrasen und Tennenplätzen. Ist bei modernen Kunstrasenmodellen von mehr als 2.000 Nutzungsstunden im Jahr die Rede, kommt man mit Tennenplätzen auf etwa die Hälfte, mit Naturrasen gar nur auf ein Drittel der Zeit. Vorteil des Kunstrasens ist dabei neben der hohen Strapazierfähigkeit auch die weitgehend Wetter unabhängige Nutzung. Lediglich bei Eis ist an Spiel oder Training auf Kunstrasen nicht zu denken.
Im Gespräch mit Stadionwelt äußert sich Hink zu den Reaktionen auf die Kunstrasenstudie, zu Vor- und Nachteilen sowie zur mangelnden Akzeptanz im Profiwettbewerbsbereich.
Stadionwelt: Welche Reaktionen haben Sie auf die Kunstrasenstudie erhalten?
Hink: Von Kommunen oder Vereinen, die darüber nachdenken eine Kunstrasenspielfläche anzulegen, erhielten wir ein positives Feedback. Wir als DFB bekommen regelmäßig Anfragen zum Kunstrasenbau, wenn man sich sachkundig machen will, ist die Studie sicher eine gute Lösung.
Stadionwelt: In der Studie kommt Kunstrasen sehr gut weg. Was macht dessen Vorzüge aus?
Hink: Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Haltungspflege ist weitaus billiger als bei einem Naturrasen oder Tennenspielfeld. Es gibt nur wenige Perioden im Jahr, in denen der Kunstrasen nicht bespielbar ist, wer allerdings meint auf vereistem Kunstrasen spielen zu müssen, macht einen großen Fehler. Während ein Naturrasen in super Zustand nach vier Stunden Nutzung Erholung bedarf, kann ein Kunstrasen täglich ohne Probleme sechs Stunden bespielt werden. Nichtsdestotrotz muss bedacht werden, dass die Kunstrasenschicht nach 15 Jahren ausgetauscht werden muss. Das kostet je nach Größe rund 250.000 Euro. Das Geld, das man vorher bei der Pflege spart, sollte man also direkt für die neue Oberfläche aufbewahren.
Stadionwelt: Wie ist heute die Verteilung von Kunstrasen und übrigen Fußballplätzen in Deutschland?
Hink: Wir verfügen insgesamt über etwa 14.000 Spielflächen, das umfasst Rasen-, Hart- oder Tennenplätze. Mit den Kunstrasenplätzen kratzen wir langsam an den 2.000. Die Tendenz geht natürlich dahin, dass sich immer mehr Kommunen Kunstrasenplätze anschaffen, wobei wir es dabei größtenteils mit der Umrüstung von veralteten Tennen- in Kunstrasenplätze zu tun haben.
Stadionwelt: Wie hoch sind die Kosten bei einer Neuanlegung eines Kunstrasenspielfeldes?
Hink: Das hängt stark von dem vorhandenen Untergrund ab. Ist dieser wasserdurchlässig, kann ein Kunstrasenplatz direkt darüber gebaut werden, ansonsten muss zunächst ein entsprechender Untergrund inklusive Drainage geschaffen werden, was die Kosten natürlich erhöht. Wir bewegen uns in einem Investitionsrahmen von etwa 400.000 bis 600.000 Euro.
Stadionwelt: Proficlubs tauschen in den neuen Arenen ihren Naturrasen mehrmals pro Saison aus, was Kosten in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro verursacht. Warum konnte man sich bislang nicht zu einem Umrüsten auf Kunstrasen entschließen?
Hink: Im Profibereich ist der Fall etwas anders gelagert. Die Vereine haben genug Zeit, ihre Naturrasen-Trainingsplätze fachgerecht zu pflegen und sind auch quantitativ so bestückt, dass keine Überlastung zu befürchten ist. Kurzum: Die Profivereine verfügen auf ihren Trainingsgeländen größtenteils über hervorragende Plätze und wenn die Profis auf Naturrasen trainieren, wollen sie auf selbigem auch spielen. Auf einem anderen Blatt steht, dass Naturrasen in vielen modernen Arenen schlichtweg nicht lebensfähig ist.
Stadionwelt: Dennoch gibt es einige Stadien, wie das Luschniki in Moskau oder das Stadion Wals-Siezenheim in Salzburg, wo auf Kunstrasen gespielt wird.
Hink: Die UEFA unterstützt ein Programm in dem Kunstrasen im regulären Spielbetrieb getestet wird. Alle Umfragen unter Vereinen und Spielern ergeben bisher jedoch, dass lieber auf Naturrasen gespielt wird. Ein schöner Naturrasen bleibt in jeglicher Hinsicht das Nonplusultra. (Stadionwelt/Pascal Reichardt, 20.03.07)
Die Kunstrasenstudie kann über den DFB bezogen werden.
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