Sie hat ihre Knochen lange genug hingehalten – für Deutschland und den TV Wattenscheid; nun ist Schluss. Esther Cremer, viele Jahre die dominierende Figur auf der Stadionrunde, beendet mit vielen Titeln und Medaillen ihre Karriere.
In den letzten zwei Jahren prägte eine schwere Fußverletzung ihren Alltag, eine Entzündung an der Plantarsehne ließ Esther Cremer nicht wieder auf die Beine kommen. Bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel stellte sie sich noch einmal hin und fegte los wie in alten Zeiten. Doch sie hielt nur 200 Meter durch und musste aufgeben. Ein bitteres Ende, das dennoch für den unglaublichen Kampfgeist der Wattenscheider 400-Meter-Läuferin spricht. „Ich wollte ja noch diese eine Saison laufen, aber nach Kassel war ich doch ein bisschen verunsichert“, sagt Cremer heute rückblickend. So wollte sie eigentlich nicht aufhören. Im Sommerurlaub ist dann aber doch die Entscheidung gereift, den endgültigen Schlussstrich zu ziehen. „Es war jetzt der richtige Zeitpunkt“, erklärt Esther Cremer nach zehn Jahren beim TV Wattenscheid 01. Sie spricht von Erleichterung – als sei nun auch eine Last von ihr abgefallen. Wenn man immer 100 Prozent gibt, hinterlässt das Spuren. Im Kopf wie im Körper: „Ich habe jetzt den ganzen Stress nicht mehr, bin ein bisschen freier. Die Therapie für den Fuß habe ich aber trotzdem zu Ende gebracht, jetzt kann ich endlich wieder normal laufen gehen.“ Und das tut sie auch weiterhin. Der Plan: „Zwei- bis dreimal in der Woche werde ich schon beim TV Wattenscheid vorbeischauen. Sonst würde ich meine Gruppe auch zu sehr vermissen.“ Der Leichtathletik will sie treu bleiben, den TV 01 will sie unterstützen – auch wenn eins klar scheint: Der Trainerjob ist wohl eher nichts für die 28-Jährige.
Von 2011 bis 2014 war Esther Cremer Deutsche Meisterin über 400 Meter, dazu kommen Hallen-Titel und Edelmetall, das sie auf der 200-Meter-Strecke geholt hat. Bei Welt- und Europameisterschaften stand sie im Halbfinale. Nicht zuletzt wird Cremer als Säule der Nationalstaffel in Erinnerung bleiben. Auch und gerade im Team wurde ihr Ehrgeiz besonders angestachelt. 2010 war sie mit der 4x400-Meter-Staffel Vize-Europameisterin. Bereits ein Jahr zuvor hatte die Wattenscheiderin bei der Heim-WM im Berliner Olympiastadion auf Position drei ein bemerkenswertes Rennen hingelegt. Unter tosendem Applaus des Hauptstadt-Publikums ließ sie in der zweiten Kurve die Läuferinnen Frankreichs und Nigerias hinter sich – am Ende stand ein exzellenter fünfter Platz für die DLV-Ladies: „Diese beiden Meisterschaften waren die Highlights. Und es war schon speziell, dass diese Erfahrungen am Anfang standen. Auch Olympia in London war ein Erlebnis, auch wenn wir da sportlich nicht so erfolgreich waren. Aber natürlich war es auch immer schön, Deutsche Meisterin zu werden!“ Doch nach zehn Jahren Sport auf höchstem Niveau sind es nicht nur die Erfolge, an die Cremer zurückdenkt: „Es bleiben viele Erinnerungen, die ganze Zeit war auch wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung. Ich habe super intensive Erfahrungen gemacht und sehr viele liebe Menschen kennengelernt. Viele Freundschaften sind entstanden.“ Die bleiben – anderes ist jetzt Vergangenheit: „Mir ist auch klar: Ich werde nie wieder mit den anderen Mädels im Callroom sitzen.“