Die Mitglieder des Forums Sport der SPD trafen sich im September im Willy-Brandt-Haus in Berlin, um aktuelle sportpolitische Fragen zu besprechen. Mehr als 200 Gäste waren vor Ort, darunter auch SSB-Vorsitzende Gaby Schäfer, die am Rande der Veranstaltung die Möglichkeit zu einem Austausch mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte.
Als Gastredner war eigentlich Peer Steinbrück vorgesehen. Die Bankenkrise verhinderte allerdings das Erscheinen des Bundesfinanzministers. Brigitte Zypries disponierte kurzfristig um und vertrat ihren Kabinettskollegen und überzeugte mit einer bemerkenswerten Rede zum Thema Ehrenamt:
Ehrenamtliches Engagement - Kitt der Gesellschaft
Rede der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries MdB, beim Jahrestreffen des Forums „Sport in der SPD“ am 25. September 2008 im Willy-Brandt-Haus in Berlin
Meine Damen und Herren,
liebe Genossinnen und Genossen,
um es gleich vorweg und ganz offen zu sagen: Ich bin nicht Peer Steinbrück! Sie haben heute den Bundesfinanzminister erwartet - so stand es im Programm und so war es auch geplant. Leider haben aber die Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten dazu geführt, dass mein Kollege heute die Banken zu Beratungen eingeladen hat. Er will mit ihnen ausloten, wie Deutschland aus der gegenwärtigen Finanzmarktkrise möglichst unbeschadet herauskommt. Dies ist ein besonders wichtiger und unaufschiebbarer Termin in unser aller Interesse. Ich bin heute aber sehr gern für Peer Steinbrück eingesprungen. Einige von Ihnen kenne ich aus meiner Zeit als Sport-Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und freue mich über ein Wiedersehen. Außerdem hat die Förderung des ehrenamtlichen Engagements auch viele rechtliche Aspekte.
Meine Damen und Herren,
ein oft zitiertes Bonmot von Günter Grass sagt, der Fortschritt sei eine Schnecke. Es gibt eine sehr erfreuliche Ausnahme von dieser Regel: Das "Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements", wir nennen es kurz: "Hilfen für Helfer". Dieses Gesetz ist von Peer Steinbrück im Finanzministerium entwickelt worden, und zwar gemeinsam mit den großen Wohlfahrtsverbänden und den Regierungsfraktionen. Überrascht darüber, dass ausgerechnet der sparsame Finanzminister ein solches Programm auflegt, konnten aber nur die sein, die nicht verstehen, dass für Sozialdemokraten ökonomischer und sozialer Fortschritt immer zusammengehören - und die nicht wissen, dass Finanzpolitik zwar strenges Sparen, aber auch Investieren in die Zukunft unseres Landes bedeutet.
Das Programm "Hilfen für Helfer" ist in ziemlich rasantem Tempo verwirklicht worden: Erstmals vorgestellt im Dezember 2006, ist es im Juli 2007 vom Bundestag und im Oktober 2007 vom Bundesrat beschlossen worden. Wenn man berücksichtigt, dass unsere Hilfen für Helfer dann rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten sind, dann ist es hier von der Planung bis zur Realisierung wirklich sehr schnell gegangen.
Mit den "Hilfen für Helfer" unterstützt die Bundesregierung die ehrenamtlich Engagierten und gemeinnützigen Vereine sehr gezielt:
* mit einem Steuerfreibetrag von 500 Euro im Jahr für Nebeneinkünfte bei mildtätigen, gemeinnützigen oder kirchlichen Organisationen;
* Übungsleiter können mehr Geld steuerfrei verdienen als bisher - statt 1.848 Euro sind es jetzt 2.100 Euro,
* Vereine dürfen jetzt bis zu 35.000 Euro steuerfrei erwirtschaften, früher waren es gut 30.000, es bleibt also mehr in der Vereinskasse;
* und besonders wichtig in der Praxis: Für Spenden bis 200 Euro reicht künftig der Einzahlungsbeleg der Bank als Nachweis. Die Vereine müssen also keine Spendenquittungen mehr ausstellen. Das entlastet sie von unnötiger Bürokratie und das macht es für Spender einfacher, ihre gute Tat bei der Steuererklärung geltend zu machen.
Das waren sehr wichtige und gute Reformen, die die SPD vorgeschlagen und mit der Union verwirklicht hat.
Meine Damen und Herren,
ganz entscheidende Fortschritte haben wir in den vergangenen Jahren auch bei den Stiftungen erzielt. Im Jahr 2002 hat die Bundesregierung - und zwar das Justizministerium - eine Reform des Stiftungsrechts initiiert. Wir haben dafür gesorgt, dass es für Stiftungen ein bundesweit einheitliches und praktikables Recht gibt. Wir haben die Vorschriften einfacher und transparenter gemacht, damit mehr Menschen sich in Form von Stiftungen für das Gemeinwohl engagieren. Heute wissen wir: Diese Reformen haben ihr Ziel erreicht. Seit dem Jahr 2002 haben wir einen echten Boom bei den Stiftungsgründungen erlebt. Im Vergleich zu den achtziger Jahren hat sich die Zahl der jährlichen Neugründungen auf rund 900 fast versechsfacht. Im Januar hat der Bundesverband der deutschen Stiftungen die neuesten Zahlen bekannt gegeben. Sie haben unsere Erwartungen noch übertroffen. 2007 sind weit mehr als 1.000 neue Stiftungen in Deutschland entstanden, das ist ein Plus von 26 % gegenüber dem Vorjahr und ein neuer Rekord. Inzwischen gibt es knapp 15.500 Stiftungen in Deutschland. Das Stiftungsvermögen wird weiter wachsen und der Osten holt auch bei den Stiftungsgründungen gegenüber dem Westen Deutschlands endlich auf. Zu diesem Erfolg hat auch die Steuerpolitik einiges beigetragen:
* Wir haben den Höchstbetrag für die Ausstattung von Stiftungen mit Kapital um mehr als das Dreifache auf eine Million Euro erhöht,
* und Stifter können jetzt bis zu 20 % ihrer Einkünfte steuerfrei in eine Stiftung einbringen.
Ich meine, über das unerwartet starke Aufblühen der Stiftungskultur in Deutschland können wir uns wirklich freuen. Auch Skeptiker und Zweifler können hier sehen, wie der Staat, die Parteien und die Politik generell mit klugen Gesetzen etwas sehr Gutes bewirken können.
Meine Damen und Herren,
natürlich geht es bei unseren Projekten um viel mehr, als nur um die Vereinfachung von Gesetzen und punktuelle Steuererleichterungen. Es geht uns vielmehr grundsätzlich darum, ehrenamtliches Engagement jenseits der Sonntagsreden stärker zu würdigen und es gerade für jene leichter zu machen, die mit jedem Cent rechnen müssen. Es bleibt eine Bringschuld der gesamten Gesellschaft, dass wir das ehrenamtliche Engagement für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land nicht als Selbstverständlichkeit konsumieren oder gar als etwas wunderliches Steckenpferd einiger Gutmenschen abtun. Wir müssen seinen wahren Wert für uns alle stärker würdigen. Wir wissen, dass diese besonders menschliche Form der Solidarität, die kein Sozialstaat der Welt ersetzen könnte, schlicht und einfach unbezahlbar ist. Ohne bürgerschaftliches Engagement wäre unsere Gesellschaft sehr viel ärmer. Sie würde nicht funktionieren, jedenfalls nicht ohne tiefe Brüche und Verwerfungen, die wir alle sehr teuer bezahlen müssten - und zwar nicht nur mit Geld. Alles dies wird von den Medien leider viel zu selten deutlich gemacht. Was dort stattdessen an "Superstars" präsentiert und in Dschungel-Camps zu "Helden" stilisiert wird, verdient diese Bezeichnung kaum. Es wäre nicht schlecht, wenn mit ähnlichem Marketing-Aufwand ab und zu die Menschen ins Scheinwerferlicht gerückt würden, die echte Vorbilder sind. Wir haben es bei bürgerschaftlich Engagierten oft mit bescheidenen und stillen Menschen zu tun, die sich nicht in die Öffentlichkeit drängen. Nach vielen Begegnungen und Erfahrungen mit ihnen scheue ich mich nicht, sie die "Helden des Alltags" zu nennen, die wahren Vorbilder unserer Zeit. Auch deshalb ist es besonders wichtig, mehr über das Ehrenamt zu sprechen und andere zu ermutigen, diesen Vorbildern nachzueifern.
Meine Damen und Herren,
uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten geht es immer darum, dass wir bei allen notwendigen Reformen zur Modernisierung unseres Landes den sozialen Zusammenhalt nicht aus den Augen verlieren. Die Frage lautet: Wie und mit wem kann es neben allen staatlichen Maßnahmen gelingen, die sozialen Fliehkräfte einzudämmen, die in den letzten Jahren eher stärker als schwächer geworden sind? Eine überzeugende Antwort auf diese Frage liegt sehr nahe: Bürgerschaftliches Engagement. Nur mit bürgerschaftlichem Engagement können wir eine vitale Bürgergesellschaft schaffen, die dort für Ausgleich und Fürsorge sorgt, wo der Staat es nicht leisten kann. Und die jenen Menschen neue Lebens- und neue Freiheitschancen geben, die aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage oder sozialer Stigmatisierung in ihrer Freiheit stark eingeschränkt sind.
Ein besonders beeindruckendes Beispiel, wie das mit Hilfe des Sports gelingen kann, gibt es in dem kleinen Städtchen Eppertshausen in der Nähe von Darmstadt. Im Jahr 2002 hat dort ein Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien einen Karateverein gegründet. Innerhalb kurzer Zeit ist daraus eine Gemeinschaft von mehr als 500 Mitgliedern geworden. Sie kümmert sich in beeindruckender Weise um die Integration von Zuwanderern und um verhaltensauffällige Jugendliche, sie bietet Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen und Karatekurse für Körperbehinderte an. Der Verein richtet überregionale Meisterschaften aus und seine Mitglieder erzielen regelmäßig sportliche Spitzenleistungen. Und Jugendliche, deren Eltern kein Geld haben, müssen keinen Mitgliedsbeitrag bezahlen. Die Erfolgsgeschichte des Gesundheits- und Kampfsportverein Lotus Eppertshausen - so sein offizieller Name - ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, was persönliches Engagement bewegen kann und wie dies als Kitt für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wirken kann.
Meine Damen und Herren,
hier zeigt sich: Das beste Beispiel dafür, dass Leistung anerkannt und belohnt wird, dass Menschen in eine starke Gemeinschaft integriert werden und wie ehrenamtliches Engagement wirkt, ist und bleibt der Breitensport in Deutschland. Der Sport ist tatsächlich die größte soziale Massenbewegung in Deutschland. Über 27 Millionen Menschen sind in Deutschland in Sportvereinen in unterschiedlicher Form aktiv. Diese Bewegung setzt sehr viel in Bewegung, weil Hunderttausende von Menschen etwas für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft tun. Ich denke da zum Beispiel an die Übungsleiterinnen und Übungsleiter, die nach Feierabend und an den Wochenenden mit ihren Mannschaften trainieren und Wettkämpfe bestehen. Mir steht keine Wertung zu, aber ich möchte doch die besonders wertvollen Verdienste jener Vereine, jener Trainerinnen und Trainer, jener Vorstände zumindest erwähnen, die in den so genannten sozialen Brennpunkten aktiv sind. Da haben wir es mit Bürgerinnen und Bürgern zu tun, die sich dafür engagieren, dass junge Menschen in der Mitte unserer Gesellschaft bleiben oder sogar vom Rand in die Mitte zurück geholt werden - weg von der Straße, weg aus verfestigten sozialen Milieus. Dass der Sport dazu besonders gut geeignet ist, wissen wir aus vielen Modellprojekten, zum Beispiel Mitternachtsfußball, Boxprojekte unter viele mehr. Vereinssport formt aus schwachen Einzelgängern ein starkes Team. Vereinssport macht sie zu unverzichtbaren Mitgliedern einer Gemeinschaft:
* Sport setzt ihnen Ziele.
* Sport verschafft ihnen Erfolgserlebnisse und gibt ihnen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.
* Sport vermittelt ihnen wichtige Werte und wertvolle Tugenden.
* Sport macht sie fit fürs Leben.
Niemals zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass Breitensport die Grundlage für Spitzensport ist. Und deshalb können Erfolge im Breitensport auch die Chance auf sozialen Aufstieg in die Spitze bedeuten - ein Thema, das gerade für uns Sozialdemokraten enorm wichtig ist.
Meine Damen und Herren,
wenn heute Peer Steinbrück an dieser Stelle stehen würde, dann würde er natürlich vor allem auf die finanzielle Förderung des Spitzensportes durch den Bund eingehen:
* Er würde wahrscheinlich auf die vielen finanziellen Garantien hinweisen, die der Bund übernimmt und mit denen er internationale sportliche Großereignisse in Deutschland überhaupt erst möglich macht, zum Beispiel die Fußball-WM, die Leichtathletik-WM im nächsten Jahr oder die Frauenfußball-WM 2011.
* Er würde auf die Herausgabe von Sondermünzen und Sonderbriefmarken eingehen, mit denen der Bund die Sportförderung finanziell unterstützt.
* Und er würde sicherlich mit berechtigtem Stolz darauf hinweisen, dass das Bundesinnenministerium in diesem Jahr 17 % mehr für die Sportförderung ausgeben kann als 2007.
Ich will all das an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, aber als Justizministerin habe ich natürlich vor allem die rechtlichen Aspekte des gesellschaftlichen Engagements im Blick. Ich will deshalb ein paar Worte sagen zum Thema Vereinsrecht, denn das ehrenamtliche Engagement im Verein braucht einen sicheren Rechtsrahmen. Dabei müssen wir immer wieder schauen, wie wir unsere Vorschriften so gut und praktikabel machen können, dass das bürgerschaftliche Engagement nicht unter einem Wust von Bürokratie und Gesetzen erstickt wird, sondern die Normen Engagement anregen, fördern und erleichtern.
Ein Thema, das dabei derzeit diskutiert wird, ist die Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen. Die Intention, die dahinter steckt, ist richtig: Wir wollen bürgerschaftliches Engagement nicht durch übermäßige Haftungsrisiken erschweren. Wir wollen niemanden abschrecken, als Vorstandsmitglied eines Vereins Verantwortung zu übernehmen. Allerdings müssen wir sehr genau prüfen, wie wir dieses Ziel so erreichen, dass nicht durch die Begrenzung von Haftungsrisiken bei den einen, andere auf ihren Schäden sitzen bleiben. Einige Bundesländer haben vorgeschlagen, dass Vorstandsmitglieder künftig gegenüber ihrem Verein und seinen Mitgliedern nicht mehr für Schäden haften, die sie nur einfach fahrlässig verursacht haben. Nun stellen Sie sich den Vorsitzenden eines Pfadfindervereins vor, der mit den Jungs seiner Pfadfindergruppe eine Bergwanderung unternimmt und dabei leicht fahrlässig seine Aufsichtspflicht verletzt. Wenn es hierdurch zu einem Unfall kommt, bei dem ein junger Pfadfinder vielleicht schwer verletzt wird, dann würde dies zur Folge haben, dass der Pfadfinder künftig auf seinen Schäden, auf den Arztrechungen und auf allem, was damit verbunden ist, sitzen bleibt und leer ausgeht. Ich meine daher, es gibt eine bessere Lösung als die Vorstandsmitglieder von jeder Haftung kurzerhand freizustellen. Die bessere Lösung wäre eine Versicherung, die die Vereine für ihre Vorstandsmitglieder abschließen und die dann einspringt, wenn ein Vorstandsmitglied für einen Schaden haften muss. Dadurch wird sichergestellt, dass kein Vorstandsmitglied persönlich haften muss und nicht abgeschreckt wird, Verantwortung als Vorstandsmitglied zu übernehmen. Dadurch wird aber zugleich sichergestellt, dass im Schadensfall kein Geschädigter allein gelassen wird. Ich denke, dass wäre eine gerechte und gute Lösung. Die Diskussion über dieses Projekt ist derzeit noch in vollem Gang. Was am Ende dabei herauskommt, ist noch offen. Ich denke, wenn es um Haftung und Schadenersatz geht, müssen stets alle Facetten des Problems im Blick behalten. Nicht alles, was auf den ersten Blick nach einem Gewinn für die Ehrenamtlichen aussieht, ist am Ende wirklich eine kluge und gerechte Lösung, aber wir sollten den Ehrgeiz haben, genau die zu finden.
Meine Damen und Herren,
zu einem anderen Aspekt der ehrenamtlichen Arbeit. Gerade bei gemeinnützigen Organisationen gibt es zwei ganz entscheidende Erfolgsfaktoren: Integrität und Vertrauen. Welch verheerende Folgen tatsächliche oder vermeintliche Managementfehler von Vereinsführungen haben können, wissen Sie alle. Wir haben es am Beispiel UNICEF jüngst erlebt: Einen erheblichen Imageschaden, das Ausbleiben von Spenden, und den Verlust von Mitgliedern und Förderern. Tatsache ist leider auch, dass es immer wieder schwarze Schafe gibt, die das Sammeln von Spendengeldern mit nahezu krimineller Energie betreiben und die einen Großteil des Geldes als Verwaltungskosten in die Taschen von Geschäftsführern und Sammlern schleusen. So etwas schadet dem gesamten Dritten Sektor, denn es untergräbt die Glaubwürdigkeit von non-profit-Unternehmen und es mindert die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung.
Nach dem geltenden Recht ist die Gemeinnützigkeit keine ausreichende Hürde, um diese schwarzen Schafe zu ertappen. Leider verzichten immer mehr Bundesländer auch darauf, mit dem Sammlungsrecht die ehrlichen Organisationen und das Vertrauen der Bürger zu schützen. In Bayern ist etwa zum Jahresbeginn das Bayerische Sammlungsgesetz ersatzlos aufgehoben worden. Begründung der Staatsregierung: Das Gesetz sei überflüssig und seine Abschaffung ein Musterbeispiel für eine Entbürokratisierung. Das haben die großen Wohlfahrtsverbände ganz anders gesehen, denn die hatten sich ausdrücklich für den Erhalt dieses Gesetzes ausgesprochen. Mit seiner Hilfe konnten nämlich viele Missbräuche bei der Spendensammlung und der Werbung von Fördermitgliedern verhindert werden. Diese Möglichkeit hat man nun - offenkundig recht leichtfertig - aus der Hand gegeben. Ich meine, es macht deshalb Sinn, darüber nachzudenken, ob man zumindest bei der Rechnungslegung von Stiftungen und Vereinen, die Spenden sammeln, etwas verbessern muss. Natürlich will hier niemand vorschnell neue Gesetze schaffen. Ein Zuwachs an Bürokratie könnte hier völlig kontraproduktiv sein. Wir wollen ja, dass von jedem Spenden-Euro möglichst viel für die inhaltliche Arbeit verwandt und nur sowenig wie möglich für die Verwaltung ausgegeben wird. Auch hier ist deshalb zunächst an die Selbstregulierung zu denken. Schon heute gibt es ein Spendensiegel, das von einem Dachverband verliehen wird. Aber dieses Siegel ist nur für überregionale Organisationen gedacht; selbst viele große anerkannte Institutionen machen dabei nicht mit und schließlich fehlt es dort auch an der Manpower, die Nachweise der Vereine im Detail durchzuprüfen. Ich halte es daher für denkbar, dass man zumindest Vorgaben für die Aufstellung der Jahresabschlüsse und die Ausweisung der Verwaltungskosten macht. Dadurch könnte die Aussagekraft solcher Bilanzen erhöht werden, und es wäre einfacher zu vergleichen, wer wie viel ausgibt, wer also gut wirtschaftet und wer weniger effizient arbeitet. Das Bundesjustizministerium ist dazu im Gespräch mit dem Deutschen Spendenrat und dem Institut, das das Spendensiegel vergibt. Aber dieses Thema betrifft natürlich auch das Finanzministerium und viele andere Ressorts. Die Diskussion, wie wir hier Transparenz, Vertrauen und Integrität sichern, ist noch längst nicht abgeschlossen. Ich würde mich deshalb freuen, wenn sich auch die betroffenen Organisationen in die Debatte aktiv einbringen. Glaubwürdigkeit ist für viele das wichtigste Kapital und es kann nicht nur durch eigene Fehler verspielt werden, sondern auch durch andere, unseriöse Akteure. Sie fügen dem Spendenwesen insgesamt schweren Schaden zu und deshalb liegt es in unserem gemeinsamen Interesse, hier etwas zu tun.
Meine Damen und Herren,
ich habe versucht, mit meinen Ausführungen drei Dinge deutlich zu machen: Erstens: Ehrenamtliches Engagement ist für unsere Gesellschaft und ihren sozialen Zusammenhalt unersetzbar. Zweitens: Der Staat, die Politik und die Parteien müssen dieses Engagement anregen, fördern und unterstützen. Und drittens: Wir brauchen einen Mix aus ganz verschiedenen Maßnahmen:
* Wir brauchen gute rechtliche Rahmenbedingungen für das Engagement.
* Wir brauchen eine finanzielle Förderung der Aktivitäten, denn ohne Geld läuft auch hier wenig.
* Und wir brauchen mehr gesellschaftliche Anerkennung für die Ehrenamtlichen, denn nur wenn ihr Engagement bekannt und gewürdigt wird, dann kann ihr Beispiel Schule machen und Nachahmer finden.
Die Politik wird auch in Zukunft ihren Teil leisten, aber wir brauchen auch die Medien und wir brauchen vor allem Bürgerinnen und Bürger, die nicht nur passiv auf dem Sofa hocken und darauf warten, dass der Staat oder andere etwas für sie tun, sondern die rausgehen, anpacken, aktiv werden und das am besten zusammen mit anderen. Sie alle, meine Damen und Herren, die heute hier sind, haben dies getan und tun dies in ihren Vereinen Tag für Tag. Der Finanzminister kann noch soviel Geld locker machen und die Justizministerin die besten Gesetze entwerfen - entscheidend sind am Ende Sie: Die Menschen, die sich tatsächlich ehrenamtlich engagieren, und für diese Engagement danke ich Ihnen ganz besonders.
Vielen Dank!