Die Frauen der SG Wattenscheid 09 haben mit einem 120-minütigen Fußball-Thriller für einen Paukenschlag im DFB-Pokal gesorgt. Als krasser Außenseiter ließ sich der Zweitligist bei der SG Essen-Schönebeck auch durch einen Rückstand nicht aus der Spur bringen, sondern stand wieder auf und konnte das Spiel in der Verlängerung mit 2:1 für sich entscheiden. Nun sind die 09-Ladies nur noch einen Sieg vom Finale in Berlin entfernt.
Die Wattenscheiderinnen begannen forsch. Bereits nach zwei Minuten hatte Jennifer Ninaus eine Großchance auf dem Fuß. Ansonsten blieb das Spiel zunächst ohne spektakuläre Höhepunkte. Bei 09 sollte zunächst die Null stehen. „Keiner konnte erwarten, dass wir hier mitspielen, denn das hätte sich böse gerächt,“ erklärte Thomas Obliers später das ungewohnt defensive Auftreten seiner Mannschaft. Und mit dieser Spielweise fuhren die 09-Frauen zunächst prima. In der 22. Minute erstmals Gefahr, als die Ex-09erin Caroline Hamann sich in den Strafraum tankte, wo ihr der Ball jedoch versprang. Drei Minuten später erneut Gefahr durch einen 28-Meter-Freistoß von Melanie Hoffmann, der knapp über das Quergebälk zischte. Ein Klassenunterschied war zu keiner Zeit festzustellen. Beide Mannschaften neutralisierten sich weitgehend, und so mancher Beobachter im Stadion war gedanklich bereits auf ein 0:0 zur Halbzeitpause eingestellt. Wie aus dem Nichts schlug in der 39. Minute aber ein Drehschuss von der Strafraumgrenze von Inka Wesely im Wattenscheider Tor ein. Hier war für 09-Keeperin Lena Hohlfeld nichts zu halten.
Nach dem Wechsel traten die 09erinnen wesentlich offensiver auf und drängten auf den Ausgleich. Ein Kopfball von Lena Wermelt (49.) ging ebenso knapp neben das Essener Gehäuse wie kurz darauf ihr flach geschossener Freistoß (52.). Eine als Flanke gedachte Hereingabe senkte von Lisa Quast sich gefährlich über den Querbalken (54.). Doch in der 66. Minute nahm das Spiel die erhoffte Wende. Inka Wesely, im ersten Durchgang noch als Torschützin gefeiert, leistete sich kurz vor dem eigenen Strafraum einen unnötigen Ballverlust gegen Jennifer Ninaus, die sich den Ball schnappte und aus zwölf Metern zum 1:1 einschieben konnte. Die SG Essen-Schönebeck zeigte prompt Reaktion. Nur drei Minuten später zwang Sofia Nati die 09-Torhüterin Lena Hohlfeld mit einem 18-Meter-Geschoss zu einer Glanzparade, und in der 82. Minute setzte Francesca Weber einen Distanzschuss knapp neben das Tor.
Die SG Wattenscheid 09 hatte nach 90 Minuten die Verlängerung erreicht. Ein kaum für greifbar gehaltenes Etappenziel war genommen. Bemerkenswert hierbei: Trainer Thomas Obliers hatte bis dahin sein Team komplett durchspielen lassen. „Mit einem Wechsel hätte ich das Mannschaftsgefüge nur durcheinander gerüttelt“, stellte er fest. Dies war zugleich eine Geste der Hochachtung vor der disziplinierten und couragierten Mannschaftsleistung.
Kaum zu glauben - aber die Frauen der SG 09 bewiesen gegen den Erstligisten selbst in der Verlängerung den längeren Atem und erspielten sich weitere Torchancen. Die eingewechselte Silke Tancyus bediente mit ihrem ersten Ballkontakt in der 97. Minute Jennifer Ninaus, die aus 15 Metern knapp neben das SGS-Gehäuse zielte. Zu Beginn der zweiten Hälfte der Verlängerung dann der Paukenschlag: Lena Wermelt erzielte mit einer Kopfball-Bogenlampe den 2:1-Führungstreffer für die SG Wattenscheid 09 (107.). Die Moral der SGS war fortan gebrochen. Zwar drängten die Essenerinnen auf den Ausgleich, doch viel Zählbares produzierte der Favorit nicht mehr. Ein Schuss von Sofia Nati touchierte die Latte (109.). Ansonsten blieb die SG 09 mit Kontern brandgefährlich, unter anderem mit einem Schuss von Ramona Petzelberger (117.).
Für reichlich Diskussionsstoff sorgte das Schiedsrichtergespann wenige Minuten vor Spielschluss. Während Hue-Man Cao in der 114. Minute das Spielfeld betrat, bereitete sich zeitgleich Lisa Quast an der Seitenlinie unweit des Geschehens auf einen Einwurf vor. Hierfür begab sie sich regelkonform an den Spielfeldrand. Die Schiedsrichter Assistentin hatte jedoch bereits den Wechsel Cao für Quast notiert und registrierte nicht, dass die auszuwechselnde Jennifer Ninaus sich noch auf dem Weg Richtung Trainerbank befand. Doch Schiedsrichterin Martina Storch-Schäfer stellte sich vor die in dieser Situation unkonzentriert wirkende Assistentin und ließ sich auf keinerlei Diskussion mit Trainer Thomas Obliers ein. Gottlob wirkte sich diese Fehlleistung der Unparteiischen nicht auf das Resultat des Spieles aus.
Nach dem Schlusspfiff herrschte dann kollektiver Jubel im Lager der SG Wattenscheid 09. Die Mannschaft drehte gleich mehrere Ehrenrunden und ließ sich von den gut 150 im Stadion verteilten mitgereisten Anhängern überschwänglich feiern. Auch ein Großteil des Essener Publikums zeigte sich beeindruckt von der großartigen Leistung des Underdogs und spendete dem jungen Team der SG 09 anerkennenden Beifall für ein Spiel, das ganz gewiss seinen Platz in den Geschichtsbüchern des DFB-Vereinspokalwettbewerbs finden wird.
Der Einzug in das Halbfinale ist neben dem Bundesliga-Aufstieg im Jahre 2007 der größte Erfolg in der Geschichte des Wattenscheider Frauenfußballs. Nur noch ein Sieg trennt die Mannschaft von ihrem großen Traum, dem Final-Einzug und dem Endspiel im Berliner Olympiastadion vor einer fünfstelligen Zuschauerkulisse. Dazu bringt dieser Erfolg einen gewaltigen Imagegewinn mit sich. „Ganz Deutschland schaut nun auf Wattenscheid. Wir sind in diesem Wettbewerb eine der vier besten Mannschaften Deutschlands. Je nach Auslosung ist im Halbfinale vielleicht sogar eine bundesweite Fernseh-Übertragung drin“, freut sich 09-Marketingleiter Markus Frank auf das für das
Osterwochenende angesetzte Halbfinale.
Quelle: SG Wattenscheid 09/Text Michael Seiss
Weitere Infos: www.sgwattenscheid09.de